Matthias

Mit Kiffen fing es an

Ich heiße Matthias und ich bin 27 Jahre alt. Ich habe keine geringen Ansprüche an mein Leben. Ich treibe gern Sport, ich bin Sänger in einer Band, ich habe einen großen Freundes- und Bekanntenkreis, ich bin Pflegefachkraft, arbeite im Schichtdienst und an Wochenenden. Auf der Arbeit gebe ich gern alles und ich genieße die Anerkennung meiner Kollegen und Vorgesetzten sehr. Allgemein genieße ich Vertrauen, Komplimente und Anerkennung oder auch Respekt, bin quasi täglich auf der Suche nach solchen. Selbstverständlich führt dies zu gesteigerter Aufmerksamkeit, vielen Nachrichten bei WhatsApp und einigen Anrufen täglich. Hier begann für mich früher der Stress und führt uns zu dem Thema, zu welchem ich mich heute äußern möchte: dem Konsum von Cannabis.

Zu Cannabis, Dope oder Marihuana selbst muss ich nicht viel erklären, mir persönlich war mein Wissen über die Droge auch nie sonderlich wichtig; Sorten, Effekt, Applikationsart; mir alles egal, die entspannende Wirkung war der Grund für die Einnahme. Deswegen kann ich hier auch weniger mit fundierten Kenntnissen „glänzen“ als mehr über meine Gefühle und die Auswirkungen des regelmäßigen Konsums auf meinen Alltag berichten. Ich habe etwa 4 Jahre gekifft. Knapp 2 Jahre davon (beinahe) täglich. Aufgehört zu kiffen habe ich nach dem Verlust meiner Fahrerlaubnis bzw. an dem Tag, als ich in meinem Auto kontrolliert, mit zur Wache begleitet wurde und einen Bluttest abgab.

Ich bin also gestresst. Packen wir mal die Vergangenheit in die Gegenwart. Mein Ich von vor 4 Jahren ist Aufmerksamkeitsgeil. Ich war kein sonderlich beliebter Schüler und habe seit einigen Jahren einiges nachzuholen. Mein Ich ist pausenlos damit beschäftigt, Aufmerksamkeit zu erlangen und diese zu vervielfältigen. Jede Sprachnachricht muss tiefgründig, personenbezogen und vor allem in etwa so lang beantwortet werden, wie die Nachricht, die mir gesendet wurde. Erhalte ich zu wenige Nachrichten, schreibe ich wild hintereinander ein paar Bekannte an, starte ein Gespräch, baue mir Vertrauen auf, um mich zwei Tage darauf darüber zu beschweren, dass ich in 26 tiefgründigen Konversationen stecke, 123 Nachrichten am Tag erhalte, all das hausgemacht und dies meist mit Freundinnen und weiblichen Bekannten, die, doch eigentlich viel besser mit ihren Freunden über solch Themen sprechen sollten als mit mir. Zeitgleich halte ich meine Band in der Öffentlichkeit im Gespräch, habe auch noch richtige Freunde, Verantwortung auf der Arbeit und in der Familie, möchte gebildet sein und habe auch sonst noch einige Ansprüche an mich selbst, für die ich allerdings erstmal Zeit mit mir selbst haben müsste.

Und genau hier kommt das Kiffen ins Spiel. Es begann als ein Spaß auf Festivals die meine Freunde und ich besuchten. Schon in diesen Anfangstagen breitete sich der für mich deutlich zu erkennende Kreislauf der Droge aus. Aus einmal am Joint ziehen wurde zweimal, aus zweimal mehrere Züge in der Runde mit Freunden und daraus mehrere Jointrunden an einem Festivaltag.

Wir, also auch ich, sprachen über unsere Erlebnisse im Freundeskreis nach dem Festival, teilte diese auch Freunden mit, die nicht zum Kreis gehörten, ich prahlte also mit dem Konsum von Marihuana. Das Rauchen nahm weiter zu. Aus dem reinen Festivalkiffen wurde nach dem Sommer 2013 auch Partykonsum, der mich zu meiner nächsten Stufe führte. Die Gruppen der Kiffer im Freundeskreis nahm langsam ab, hier wurde von uns und mir also eine deutliche Grenze überschritten. Zum Rauchen gingen wir vor die Tür, sprachen unsere eigene Sprache (Zehner, spliffen, Blunt) und bildeten so unsere eigene Nische, durch welche auch ich mir in gewisser Weise besonders vorkam. Ich erzählte vielen Leuten davon, dass auch ich gerne kiffe, lernte auf Partys andere Kiffer kennen, ging auch mit ihnen, unabhängig von meinem Freundeskreis vor die Tür und genoss den wortlosen Zusammenhalt, das Gefühl einer Verbindung zu Personen die man selbst eigentlich gar nicht kannte. Eine Zugehörigkeit, welche ich wohl noch gesucht hatte, fand ich in der Identifikation, ich sei jetzt auch ein Kiffer. Die nächste Stufe erreichte ich nach dem Abschluss meiner Ausbildung um September 2014, als ich mir von einem Freund Gras mitbringen ließ. Ich ließ ihn mir aus etwa einem Gramm sechs Joints bauen und rauchte einen halben Joint, davon war ich den ganzen Abend high.

Eine verschwindend geringe Menge, rauchte ich gegen Ende meines Konsums doch etwa einem Gramm pro Tag. Ich genoss die Flucht vor dem Alltag, den mir das Kiffen bot. Ich erlebte normale Ereignisse wie duschen, kochen oder zu putzen völlig neu und freute mich abends auf einen Joint. Ich erwischte mich dabei, unter der Woche nicht an Treffen im Freundeskreis teilzunehmen, weil ich nach dem Spätdienst lieber kiffen wollte. Von dieser Zeit an nahm mein Konsum zu, meistens rauchte ich nur noch alleine. Es war quasi meine Lösung auf alle unangenehmen Fragen, die mein Leben bot. Ein Joint und alles wurde leichter. Ich begann fast nach jedem Feierabend zu rauchen, zumindest rauchte ich jeden Abend, bevor ich zu Bett ging. Irgendwann begann ich dann, meinen Alltag nach dem Konsum meiner Joints zu planen. Ich verschob Erledigungen außerhalb der Wohnung weit nach hinten, um im Vorfeld zur Genüge rauchen zu können. Erledigungen, die per Auto gemacht werden mussten, plante ich im direkten Anschluss an die Arbeit, um danach entspannter rauchen zu können, wenn ich dann Zuhause angekommen bin. Später ging es dann schlussendlich so weit, dass ich mir vor Partys noch alleine zuhause meinen Joint rauchte. Ich ging gelassener zur Party, zu einer Party, auf der ich davon ausgehen konnte andere Kiffer zu treffen und zu der ich selbst noch Gras mitnahm. Aber der vorherige Konsum eines ganzen Joints für mich allein war mir trotzdem wichtig. Dieses Szenario des täglichen Konsums und der Planung des Alltags nach Joints hielt etwa 2 Jahre an. Mein Konsum wurde intensiver, stoppte aber bei etwa einem Gramm pro Tag, da ich das Geld sonst als zu sehr verschwendet angesehen hatte. Oft war ich nach dem Konsum auch unzufrieden, da sich der gewünschte Effekt nicht einstellen wollte, das Abenteuer von vor 3 Jahren war nicht mehr das gleiche. Es war zum Alltag geworden, dicht zu sein.

Nachdem ich von der Polizei etwa 14 Stunden nach dem letzten Joint am Steuer angehalten wurde und mit zum Bluttest musste, stellte ich das Kiffen sofort ein. Auf dem Rückweg (zu Fuß) von der Wache informierte ich mich eingängig über das Rauchen von Gras und dem Führen eines Fahrzeugs und wünschte mir, ich hätte dies eher getan. Wenn ich mir heute die Frage stelle, ob ich, von dem Risiko für mich und den anderen gewusst hätte, dass ich auch über 12 Stunden nach dem Rauchen noch nicht in der Lage war ein Fahrzeug sicher zuführen, mit dem Kiffen auf zu hören kann ich die Antwort nicht ganz eindeutig bejahen. Möglich ist es. Eine körperliche Abhängigkeit kann ich auch nach all den Jahren beim Kiffen nicht feststellen. Ich hatte keine Beschwerden, konnte direkt stoppen. Jedoch konnte ich die psychische Abhängigkeit deutlich wahrnehmen. Zu Kiffen wurde zum Patentrezept für alles: es half gegen Stress, Angst, Langeweile, ich kiffte mit Freunden für einen schönen Abend, ich kiffte quasi aus Gewohnheit gegen dem, was ich für gewohnt empfand.

In den Gesprächsrunden der BKE-Gruppe fand ich mich nicht auf der Stelle wieder. Ich war der einzige, der dort wegen des Konsums von Marihuana saß, konnte mich schlecht mit der alkoholbedingten Suchtproblematik der anderen identifizieren. Doch je tiefer ich in die Probleme der anderen eintauchte und je mehr ich Zusammenhänge zwischen Alltagserlebnissen und Sucht begriff, desto besser gelang es mir, mein Ich von vor ein paar Monaten zu verstehen. Ich denke, dies ist der Hauptgrund, weswegen ich die Treffen, die mir mein MPU-Berater empfohlen hat, besuche. Ich finde mich in den Problemen der anderen wieder und kann ihnen ähnliches von mir berichten.

Euer Matthias

 

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